Kyudojo Stuttgart e.V.
FRAGEN UND ANTWORTEN ZU KYUDO

Was heißt/bedeutet Kyudo?

Kyudo bedeutet wörtlich; Kyu = Bogen; Do = Weg, der Weg des Bogens. Beide Vokale werden lang gesprochen. Ähnlich wie Kendo, Schwertweg, Judo, der sanfte Weg und andere ist Kyudo eine klassische Budo-Disziplin und hat seinen Ursprung in den Kampfkünsten der Samurai des mittelalterlichen Japan.

Wie ist Kyudo entstanden?

Der erste bildhafte Nachweis des asymmetrischen japanischen Bogens ist auf einer Dotaku (glockenähnliches Bronzeobjekt) aus der Yayoi Periode (ca. 300 v. u. Z. - 300 u. Z.) dargestellt.
Der Bogen hat in der japanischen Kultur und in der japanischen Naturreligion Shinto nach wie vor eine große Bedeutung und findet bei verschiedenen Gelegenheiten Einsatz. Bei Neujahrs-Zeremonien und besonderen Anlässen wird die Kraft des Bogens benutzt, um Ort und Geist zu reinigen und böse Kräfte zu vertreiben.
Wie in vielen Kulturen spielte der Bogen als „Fernwaffe“ bei der Jagd oder bei kriegerischen Auseinandersetzungen auch in Japan eine große Rolle. Der Bogen als Waffe gehörte zu der Grundausstattung des Samurai und die Kunst des Bogenschießens wurde intensiv studiert.
Über die Jahrhunderte wurden der Bogen und die Schießtechnik weiterentwickelt und perfektioniert. Mit der Einführung der Feuerwaffen in der Mitte des 16. Jahrhunderts verlor der Bogen seine militärische Bedeutung. Er gehörte jedoch nach wie vor zur Grundausstattung des Samurai. Die technischen Fähigkeiten und psychologischen Einsichten, die über Jahrhunderte in Übungs- und Kampfsituationen gewonnen worden waren, wurden weiterhin geschätzt, gepflegt und bewahrt.
Das Bogenschießen als eine existentielle Übung - der „Weg des Bogens“ (Kyu = Bogen, Do = Weg). Obwohl aufgrund verschiedener geistiger Strömungen und historischer Brüche - z. B. in der Meiji Restauration mit der Abschaffung des Samurai-Standes und nach dem 2. Weltkrieg durch das zeitweilige Verbot der Budo-Künste - viele Traditionen verloren gingen, konnten doch einige Kyudo-Schulen (Ryu) ihre jahrhundertealte Schießtechnik bis heute überliefern; darunter die Heki Ryu Insa Ha, nach deren Tradition und Überlieferung in unserem Verein geübt wird.

Ist Kyudo gleich „Zen-Bogenschießen"?

Nein. Dieses Missverständnis geistert dank Eugen Herrigels Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ schon seit vielen Jahrzehnten herum.
Zen und Kyudo sind eigenständige Wege und Kulturen, die sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Kyudo ist ausschließlich in Japan entstanden, der Zen-Buddhismus, eine buddhistische Richtung, die sich aus dem Mahayana-Buddhismus entwickelt hatte, kam von Indien über China erst im 12. Jhd. nach Japan.
Die Mehrheit der Samurai gehörte jedoch der Jodo-shu, der Schule vom Reinen Land, an und nicht dem Zen-Buddhismus. Auch heute hat der „Buddhismus des Reinen Landes“ in Japan mehr Anhänger als der Zen-Buddhismus.
Man kann natürlich Kyudo und Zen nebeneinander üben. Beides zu vermischen, wird aber keinem gerecht und hat zur Folge, dass man weder das eine noch das andere richtig versteht. Leider wird oft von Menschen über Kyudo oder Zen geschrieben, die selbst kaum oder keine praktischen Erfahrungen damit gemacht haben
Zen und Kyudo sind verschiedene Wege mit nahezu dem gleichen Ziel. Doch beides sind Wege, die mit vielen Höhen und Tiefen verbunden sind und erst nach Jahren der Praxis „Ergebnisse oder Erkenntnisse“ zeigen.
Es gibt in Japan, der Heimat und dem Ursprung des Kyudo, unterschiedliche Kyudo-Schulen mit teilweise sehr unterschiedlichen Intentionen und Prinzipien. Ebenso gibt es in der Schießtechnik große Unterschiede, aber Tatsache ist, dass bis zum Erscheinen des Buches „Zen in der Kunst des Bogenschiessens“ von Eugen Herrigel 1948 niemand auf die Idee kam, Kyudo unmittelbar mit Zen zu verbinden.
Herrigel kam 1924 nach Japan als Universitätsdozent mit dem geheimen Wunsch, Zen kennen zu lernen. Weil ihm als Ausländer der Zugang zum Zen-Unterricht verweigert worden war, hatte er auf einen freundlichen Ratschlag hin beim Esotheriker Awa Kenzô, der in Kyûdôkreisen in Japan nicht unumstritten war, mit Kyudo begonnen und knapp 4 Jahre unter seiner Anleitung geübt. Direkten Kontakt zur Zen-Buddhistischen-Meditationspraxis hatte Herrigel allerdings nicht, auch wenn er viel über Zen las. Da Herrigel kein Japanisch konnte, wurde die Kommunikation durch einen Dolmetscher geführt - was verschiedene Miss-Interpretationen zur Folge hatte. Nachdem Herrigel 1929 nach Deutschland zurückgekehrt war, hat er mit Kyudo aufgehört. Sein Buch jedoch, das in der endgültigen Fassung 1948 zum ersten Mal erschienen ist, hat eine sehr große Leserschicht beeinflusst.
Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die unmittelbare Verbindung von Kyudo und Zen lediglich eine „moderne Idee“ darstellt, die in der japanischen Kultur nicht verwurzelt ist.

Ist Kyudo Meditation mit dem Bogen?

Nein. Kyudo ist weder Meditation noch Therapie oder eine andere Form der Selbstfindung. Kyudo ist der Weg des Bogens. Es gibt in den fernöstlichen und auch in den westlichen Traditionen zahlreiche Formen der Meditation, aber man sollte das eine nicht mit dem anderen vermischen.
Beim Kyudo sind Konzentration, Achtsamkeit und Eigenreflektion sicher elementare Bestandteile des Übens, aber es ist und bleibt die Kunst des japanischen Bogenschießens, an der man sich entwickelt.
Wenn man meditieren möchte, sollte man sich eine Meditationsform suchen, die den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht.

Was sind die Unterschiede zwischen Kyudo und anderen Arten des Bogenschießens?

Es gibt in den Kulturen der Welt verschiedene Methoden des Bogenschießens und viele unterschiedliche Bogen-Formen und Grössen, die hier nicht alle genannt werden können.
Beim Kyudo gibt es keinerlei Hilfsmittel wie Stabilisatoren, Zielhilfen o. ä. am Bogen.
Der grundlegende Unterschied im Kyûdo liegt in dem asymetrischen Langbogen und der Schießtechnik, insbesondere in der Methode des Abschusses. Bei den meisten Bogenschieß-Methoden wird die Bogenhand während des Abschusses nicht bewegt. Beim Kyudo wird während des Abschusses der Bogen gedreht. Der Bogen wird mit einer speziellen Griffhaltung gefasst und während die Sehne den Pfeil beschleunigt, wird der Bogen mit der linken Hand gedreht. Diese Methode ist in der Geschichte des Kyudo entwickelt worden, um zum einen, die Ablenkung des Pfeiles durch das Entlanggleiten am Bogen zu verhindern und zum anderen, dem Pfeil eine höhere Geschwindigkeit und Durchschlagskraft zu verleihen.
Diese spezielle Schießtechnik macht es aber leider nicht leicht, Kyudo zu erlernen.

Kann man Kyudo alleine lernen?

Alleine kann man Kyudo weder erlernen noch üben, selbst wenn man die besten „Lehrbücher“ zur Seite hat. Die Lehrbücher eignen sich nur für bereits aktive Schützen zur Erinnerung und Unterstützung. Man braucht unbedingt regelmäßigen Unterricht und Rückmeldung von einem erfahrenen Trainer, da man sonst nur konstant die eigenen Fehler wiederholt.

Ist Kyudo gefährlich?

Die eigene Verletzungsgefahr im Kyudo ist relativ gering, wenn man sich an die Sicherheitshinweise hält und den Anweisungen des Trainers folgt. Das eigene Verletzungsrisiko steigt jedoch, wenn man als Anfänger alleine übt.
Generell muß man natürlich beim Umgang mit Bogen und Pfeile immer berücksichtigen das diese eine Waffe sind, auch wenn heute absolut friedliche Ziele verfolgt werden. Ein falscher oder fahrlässiger Umgang kann jedoch tödlich sein. Auch wenn die heutigen Pfeilspitzen stumpf sind, haben sie immer noch eine hohe Durchschlagskraft. Deshalb gibt es im Kyudo-Training strenge Regeln, um die Sicherheit aller zu gewährleisten. Verantwortungsbewusstsein und Selbstdisziplin sind im Kyudo unerlässlich.

Wie läuft eine Kyudo-Ausbildung ab?

Da die Bewegungsabläufe und die Schießtechnik im Kyudo sehr komplex und diffizil sind, braucht es Zeit, bis diese gelernt und sicher wiederholt werden können. Deswegen kann man nicht sofort auf die volle Entfernung (28m) schießen. Die Gefahr, dass man sich und andere verletzt, wäre zu groß.
Es gibt zwei grundsätzliche Methoden des Anfängerunterrichts.

1. Methode:
Mit dem Gomuyumi, ein Griffstück mit einem Gummiband. Der Anfänger lernt damit alle Bewegungen und Abläufe. Wenn diese dann gefestigt und sicher sind, steigt er auf den Bogen um und schießt in einer Entfernung von ca. 2 Metern auf ein Makiwara (Strohrolle mit einem Durchmesser von ca. 40 - 50 cm). Wenn die Bewegungen und Abläufe auch mit dem Bogen gefestigt und sicher sind, wird auf eine Entfernung von 5 - 10 Metern auf das Mato (mit Papier bespannter Holzring) geschossen und nach und nach auf die volle Distanz von 28 Metern gesteigert.

2. Methode:
Direkt mit einem schwachen Bogen auf das Makiwara. Der Anfänger beginnt erst mit sehr geringer Spannung des Bogens und dem Pfeil zu schießen und lernt dabei die elementaren Bewegungen des Abschusses. Nach und nach wird Spannung bzw. die Auszugslänge erhöht und es kommen weitere Elemente des Bewegungsablaufs hinzu, bis der Anfänger den Bogen ganz spannen und sicher abschießen kann. Wenn die Bewegungen und Abläufe auch mit dem Bogen und vollem Auszug gefestigt und sicher sind, geht es wie bei Methode 1. weiter auf Entfernung.
Beide Methoden unterscheiden sich in der zeitlichen Dauer nicht wesentlich. Man kann, je nach Häufigkeit des Trainings und der individuellen Begabung, nach ca. 6-12 Monaten auf die volle Entfernung schießen. Viele machen am Anfang sehr unterschiedlich Fortschritte, aber es ist nicht wichtig, wie schnell oder langsam man zu Beginn lernt.
Die Erfahrung zeigt, dass nur die Beharrlichen und die Geduldigen langfristig vorankommen. Talent hilft nur am Anfang.

In unserem Verein unterrichten wir nach der 2. Methode.

Gibt es Altersgruppen im Kyudo?

Im Kyudo gibt es in Deutschland keine Altersgruppen und keine Geschlechterunterscheidung. In Japan gibt es Schul- und Universitäts-Meisterschaften, die nach Geschlechtern und Alter getrennt sind.

Ab welchem Alter kann man Kyudo lernen?

Um Kyudo zu lernen, ist eine bestimmte körperliche und motorische, aber auch geistige Reife erforderlich. Besonders wichtig ist aber der eigene Antrieb und die nötige Konzentrationsfähigkeit, Geduld und Ausdauer.
In unserem Verein kann man ab einem Alter von 16 Jahren mit Kyudo beginnen.

Ist es hilfreich, wenn man vorher andere Sportarten praktiziert hat?

Im Prinzip ja, aber es ist nicht unbedingt notwendig. Regelmäßige Bewegung, gute Koordinationsfähigkeit und gutes Körperbewußtsein sind immer zum Erlernen neuer Bewegungsabläufe hilfreich. Vor allem aber sind Geduld, Ausdauer und regelmäßiges Üben entscheidend.

Wie oft muss man üben?

Regelmäßiges Training ist unerlässlich, um den komplexen Bewegungsablauf des japanischen Bogenschießens zu erlernen. Zwei Mal oder häufigeres Üben in der Woche sind wichtig, um einen erkennbaren und dauerhaften Fortschritt zu erreichen. Wenn man unregelmäßig und selten übt, stellen sich kaum Fortschritte ein und man ist schnell frustriert. Besonders am Beginn ist es wichtig, häufig zu üben, damit sich das neu Gelernte festigen kann.
Wenn die Lebensumstände ein regelmäßiges Training nicht ermöglichen, sollte man besser nicht mit Kyudo beginnen.

Was kostet die Kyudo-Ausrüstung?

Die Gesamtkosten für eine einfache Ausrüstung mit Bogen, Pfeile, Handschuh und Bekleidung liegen bei ca. 1000 EUR. Die Kosten fallen nach und nach in den ersten Jahren an. Am Anfang benötigt man einen Handschuh, einen Bogen und einen Übungspfeil.

Kann man die Ausrüstung beim Verein ausleihen?

Wir stellen neuen Vereinsmitgliedern für eine Übergangszeit von ca. 6 Monaten die Ausrüstung zur Verfügung.

Gibt es Wettkämpfe und Meisterschaften?

Ja, es gibt diverse Wettkämpfe und nationale und auch internationale Meisterschaften. Wettkämpfe sind von jeher ein elementarer Bestandteil im Kyudo.

Was ist, wenn man Linkshänder ist?

Prinzipiell ist es im Kyudo weder ein Nachteil noch ein Vorteil, Links- oder Rechtshänder zu sein.
Wenn man beginnt Kyudo zu lernen, sind alle Bewegungen für beide völlig neu und keiner kann auf ein besonders vorteilhaftes Bewegungs-Repertoire zurückgreifen. Zudem sind beim japanischen Bogenschießen beide Hände und Arme gleichermaßen aktiv und gefordert. Es müssen mit beiden Seiten neue und komplexe Bewegungsabläufe erlernt werden. Aus Gründen der Sicherheit und des Trainingsablaufs ist es nicht möglich, „andersherum“ zu schießen.